Am Mittwoch, den 03. November 2021, hat der Bundesverband Taxi und Mietwagen e.V. in Kooperation mit der Telekom Deutschland seine diesjährige Taxi Driving Innovation Veranstaltung durchgeführt, welche von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe gefördert wurde. Das Besondere: erstmals seit 2019 konnte das Kongressformat wieder in Präsenz – unter Einhaltung aller geltenden Corona-Regeln – durchgeführt werden. Organisiert durch die Geschäftsstelle des Bundesverbandes fand die Veranstaltung im Hotel MOA in Berlin Mitte statt. Zugleich wurde die Veranstaltung für all diejenigen, die nicht vor Ort dabei sein konnten, live ins Internet gestreamt. Moderiert wurde die Veranstaltung von der Wirtschaftsredakteurin der Süddeutschen Zeitung, Christina Kunkel. Geschäftsführer Michael Oppermann erklärt hierzu: “”Die Taxi Driving Innovation war ein voller Erfolg mit vielen spannenden Diskussionen. Man konnte der Intensität der Gespräche entnehmen, dass ein physisches Treffen dringend nötig war”.
Begonnen hat der Kongress um 14:00 Uhr mit Begrüßungs- und Einführungsworten des BVTM-Geschäftsführers Michael Oppermann, der in seinem Beitrag die aktuelle Lage des Mobilitätsmarkets erörterte und die zentralen Herausforderungen des Gewerbes in der Gegenwart und der Zukunft skizzierte.
Im Anschluss an die Worte Oppermanns begrüßte Thomas Sell im Namen der Telekom Deutschland alle Experten und Gäste der Veranstaltung. Dabei erörterte der Leiter für Kooperationsentwicklungen die große Bedeutung der Zusammenarbeit des Taxi- und Mietwagengewerbes und der Telekom Deutschland. Einen ebenso wichtigen Platz nahmen Sells Ausführungen zum Projekt “Zukunftstaxi” in Hamburg ein, welches er als Blaupause skizzierte, um ein bundesweites Projekt auf die Beine zu stellen. Diese Forderung richtete Sell direkt an die Koalitionäre für die kommende Legislatur.
Session 1: Taxi unter Strom
In der ersten Session drehte sich alles rund um das Thema Elektromobilität – das Zukunftsthema und eine der zentralen Herausforderungen des Taxi- und Mietwagengewerbes. Hierzu fanden von 14:30 – 15:30 Uhr zwei Impulsvorträge statt. Eröffnet hat die Session Dr. Anjes Tjarks, Senator für Verkehr und Mobilitätswende (BVM) in Hamburg, der das erfolgreiche “Zukunftstaxi” Projekt aus Hamburg aus der Sicht der Politik beleuchtet hat. Hier ging Dr. Tjarks konkret auf die Motivation und die Ziele des Projektes ein und stellte sich zudem den Fragen der Taxi- und Mietwagenunternehmer. Im Rahmen seines Beitrages bekräftigte der Senator die enge Zusammenarbeit der Behörde mit dem Gewerbe vor Ort sowie die große Bedeutung der Elektrifizierung von Taxen und Mietwagen für die Erreichung der Klimaziele im Verkehrssektor.
Im Anschuss an den Impuls von Dr. Tjarks erhielt Gregor Beiner, Vorstand im BVTM, das Wort, der im Rahmen seines Vortrages den jüngst vom Bundesverband Taxi und Mietwagen e.V. entwickelten Bundesfahrplan eTAXI vorstellte. Zentrales Anliegen des Münchners: Die verhandelnden Partei auf Bundesebene sollten unbedingt die Elektrifizierung des Gewerbes in den Koalitionsvertrag aufnehmen. Denn eins sei klar: mit der Elektrifizierung von Taxen und Mietwagen lassen sich jährlich 675.000 t CO2 einsparen. Ein enormes Potenzial, welches bisher von der Politik unerkannt blieb, so Beiner. Des Weiteren weist Beiner darauf hin, dass Deutschland hier zudem eine Vorreiterrolle in Europa einnehmen kann, da die Elektrifizierung des Taxis europaweit hinter seinen Erwartungen zurückbleibt. Wie genau der Bundesfahrplan eTAXI ausgestaltet ist, lesen Sie hier.
Session 2: Krankenfahrten digital
In der zweiten Session haben Präsidiumsmitglied Wolfgang Oertel, MdB Dr. Georg Kippels und Krankenfahrtenexpertin Gisela Spitzlei über den Status Quo “Krankenfahrten” sowie über zentrale Probleme und Herausforderung des Themengebietes diskutiert. Dabei warb vor allem Gisela Spitzlei für mehr Engagement seitens der Politik für das Thema und kritisierte die zumeist unemotionale und versachlichende Perspektive auf Krankenbeförderungen. Spitzlei erklärt hierzu “Kranke sind doch kein Stückgut, welches man an der Boardsteinkante abstellt. Es sind schwer kranke Menschen, die eienr besonderen Beförderungsleistung bedürfen”.
Eine identische Sichtweise unterstreicht auch Wolfgang Oertel, der in seinem Impulsvortrag auf bestehende Schwierigkeiten im Kontext der Abrechnungen mit Krankenkassen hinweist. “Krankenfahrten mit Taxi und Mietwagen erweisen sich in der Mobilitätsdiskussion als blinder Fleck und fallen meist hinten runter”, so Oertel. Umso wichtiger sei es, das Thema jetzt in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen, denn es handelt sich um einen stetig wachsenden Markt. Dies begründet das BVTM-Präsidiumsmitglied mit der steigenden Zahl an Erkrankten, die künftig befördert werden müssen, sowie mit der sinkenden Zahl an Ärzten auf dem Land und auch in der Stadt.
Als dritter im Bunde nahm Dr. Georg Kippels, Mitglied des Deutschen Bundestags, der CDU/CSU Stellung zum Thema. Kippels räumt ein, dass in der Politik bis dato wenig Gehör gefunden wurde, was sich vor allem in der Komplexität des Themas begründe. Dennoch erklärt er auch, dass das Thema durch die gute Aufklärungsarbeit des Gewerbes nun in der Politik angekommen sei und man den unmittelbaren Handlungsbedarf und die Schieflagen erkenne. Der Politiker appelliert an das Gewerbe, unermüdlich die neue Regierung mit dem Thema zu konfrontieren und er selbst werde in der Opposition mit seiner Partei nicht müde werden, Krankenfahrten als wichtigen Aspekt zu bespielen.
Session 3: Vernetzt voraus – mit Bus, Bahn und Taxi
Im vorletzten Panel des Veranstaltungstages drehte sich alles rund um die Vernetzung von Taxi und ÖPNV. Hierzu erklärt Dr. Jan Schilling, Geschäftsführer des VDV, dass laut Personenbeförderungsgesetz (PBefG) das Taxi Teil des ÖPNV ist, da es besondere Pflichten wie die Tarifpflicht, Beförderungspflicht und Betriebspflicht auferlegt bekommen habe. Dieser besonderen Verpflichtungen, so Herwig Kollar, Präsident des BVTM, sei sich das Gewerbe bewusst und leiste deshalb seit Jahrzenten einen wichtigen Beitrag zur Daseinsvorsorge und ergänze Bus und Bahn, dort wo es sinnvoll ist.
Diese Position bekräftigt auch Kerstin Haarmann, Bundesvorsitzende des VCD, und erklärt, dass sie künftig, mit dem Rückgang des Privat-Pkw, noch viel mehr Potenziale für das Taxigewerbe sieht. Vor allem dort auf der ersten und letzten Meile, wo in Großteilen die Schienenanbindung fehlt oder der Bus aus Klimagesichtspunkten durch kleinere Gefäse ersetzt werden soll.
Uneinigkeiten bestehen jedoch seitens der Mittelverteilung im ÖPNV, was die Regionalisierungsmittel betrifft. Dies kritisiert Herwig Kollar im Rahmen der Diskussionsrunde.
Session 4: Ausblick auf die nächste Legislatur
In der letzten Runde des Tages ging es dann nochmal heiß her. Unterschiedliche Positionen trafen aufeinander, sorgten jedoch für einen spannenden und abwechselungsreichen Austausch. Diskutiert haben in der Runde Frau Dr. Lisa Ruhrort (Wissenscahftlerin am WZB), Karsten Schulze (Technik-Präsident beim ADAC) und Michael Oppermann (Geschäftsführer beim Bundesverband Taxi und Mietwagen e.V.). Zentrales Thema der Runde waren die aktuell laufenden Koalitionsverhandlungen und das bereits vorliegende Papier zu den Sondierungsgesprächen. Hierzu resümiert Oppermann im Rahmen des Panels, dass das Papier aus seiner Sicht noch sehr “allgemein” gehalten sei und sich abzeichne, dass das Thema Mobilität ein schwerer Brocken bei den Koalitionsverhandlungen sein werde.
Ähnlich bewertet Frau Dr. Ruhrort das Sondierungspapier, die jedoch noch einen Schritt weiter geht und mit Blick auf den Stellenwert des Themas Mobilität im Papier von “Enttäuschung” spricht. Gerade aufgrund der Beteiligung der GRÜNEN hätte sich die Wissenschaftlerin hier mehr Bekenntnisse zu einer nachhaltigen, elektrischen Mobilität gewünscht.
Etwas konträr sieht Karsten Schulze vom ADAC das Papier, der sich grundsätzlich für eine Technologieoffenheit bei der Antriebswende ausspricht und somit auch Potenzial in bspw. PlugIn-Hybriden oder E-Fuels sieht. Des Weiteren sieht Schulze noch immer große Herausforderungen was die Flotten- und Pkw-Elektrifizierung angeht und verweist auf den aktuell enormen Privat-Pkw-Bestand von rund 48 Mio. Fahrzeugen (Tendenz steigend). Hierzu erklärt er: “Der Anstieg der Pkw zeigt ja nur, dass die Alternativen, die im Augenblick angeboten werden, offensichtlich bei der Bevölkerung so noch nicht ankommen und offensichtlich für viele noch nicht die Alternative sind, mit der sie ihre tägliche Mobilität erledigen können.” Grundsätzlich rät Schulze davon ab, den Pkw-Besitz regulatorisch zu verringern, ohne passende Alternativen zu schafffen.
Weitere Themen der Diskussionsrunde waren: lebenswerte Städte, Verkehrsmanagement- und Systeme, Klimaimpact, Pkw-Besitz etc.
Alle Sessions im Überblick zum Nachschauen: